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Mittwoch, 23. April 2008

Die Neue Westfälische, Paderborner Kreiszeitung, Ostwestfalen-Lippe, No. 273 , am Montag, 24 November 2003,

Die Neue Westfälische, Paderborner Kreiszeitung,
am Montag, 24 November 2003, berichtet auf Seite

Landschaftsverband sagt Betroffenen Hilfe zu.



VON ANJA SPARBROD

Paderborn. Matthias Lehmkuhl und Peter Dittrich vom Landesjugendamt beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sind geschockt. „Das ist ja wohl unvorstellbar“, sagt Lehmkuhl. Mehr als drei Stunden haben die beiden LWL-Mitarbeiter sich die Lebensgeschichten von Menschen, die ihre Kindheit und Jugend in christlichen Heimen verbringen mussten angehört.

Und wenn die einzelnen Geschichten der 50er, 60er und 70er jahre ganz unterschiedlich sind: Die Menschen, die sich im Arbeitslosenzentrum in Paderborn versammelt haben, berichten von Schlägen, Schikanen, Missbrauch. Da ist Gerd, der am Salvatorkolleg in Höfelhof für große Unternehmen arbeiten musste. War er aufsässig, kam er in den „Bunker“. Nur ein Bett und ein Eimer waren in dem Raum. „Zwei Wochen keinen zum Sprechen, nichts zu lesen“, sagt er. Seine Stimme wird brüchig, Ehefrau Elke kommen die Tränen. Viel zu lange hat ihr Mann geschwiegen.

Kinder wurden halb tot geschlagen“ sagt sie. Pierre, der mit zwölf Geschwistern im St. Hedwigsheim in Lippstadt untergebracht war, durfte „zur Strafe“ nicht zur Berdigung seiner Mutter und Stefan kann sich noch an die Namen jedes einzelnen Mannes erinnern, der sich die kleinen Jungs am Wochenende aus dem
Josefskinderheim in Lippstadt zu sich nach Hause
holte, um sie dann zu missbrauchen. „Es ist

bedrückend, so etwas zu hören“, sagt Dittrich. Als vor einem halben Jahr die ersten Schicksale von ehemaligen Heimkindern an die Offentlichkeit kamen, stoppte der LWL sofort die tournusmäßige Vernichtung von Akten. „Viele Akten aber existieren leider nicht mehr“, so Ditrich. Und die so beschuldigten Nonnen, Heimleiter und zuständigen Aufsichtspersonen beim LWL sind inzwischen betagt und alt.

„Wir können nur anbieten, dass wir bei der Aufarbeitung der Einzelfälle behilflich sind“, so die beiden Mitarbeiter vom Landesjugendamt. Darüber hinaus werde sich der Landesjugendhilfeausschuss in seiner nächsten Sitzung noch vor Weinachten mit dem Thema befassen. Das ist auch der Initiative der Paderbornerin Marlene Lubek zu verdanken, sie ist Mitglied der SPD-Kreisfraktion in Paderborn und der Landschaftsversammlung in Münster. Auch die Träger der Freien Wohlfahrtspflege werden inzwischen sensibel für die Thematik: Die Caritas in Paderborn plant eine Fachtagung zum Thema.

Neue Westfälische 2003

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